Der Druck ist real. Alle sprechen über Chancen und Risiken von Agents und darüber, was theoretisch alles möglich wäre. Ich kann es nicht mehr hören. Mich interessiert inzwischen nur noch, was Teams heute schon praktisch umsetzen. Für Unternehmen auf der Suche nach ROI geht es nicht darum, was KI irgendwann einmal leisten könnte, sondern darum, ob sie jetzt leistet, was wir wirklich brauchen.
Vom Reden ins Handeln
Ich komme aus der Psychologie. Während meiner Zeit an der Uni Salzburg habe ich viel Zeit mit der Frage verbracht, wann und warum Menschen ihr Verhalten verändern. Prof. Eva Jonas, meine Vorgesetzte, sagte damals ständig: „Wir müssen ins Handeln kommen“. Es ging dabei gleichermaßen um unsere Projekte und um die Effekte, die wir uns von unseren Interventionen mit Fokus auf unterprivilegierte Studierende erhofften. Wie schaffen wir es, gemeinsam mehr von dem zu tun, was uns voranbringt?
Also hören wir auf zu spekulieren und zeigen lieber, wie KI konkret im kollaborativen Arbeitsalltag helfen kann – dort, wo es richtig wehtut: in der Kommunikation – aber bitte ohne AI Slop als Man-in-the-Middle.
Von Experimenten zur Praxis
Mein Einstieg in KI war alles andere als glamourös: kleine Data-Science-Projekte neben dem Studium und mein Festival, das ich 2020 zum Testlabor für unaufdringliche Automatisierung machte. Die „Secret Sauce“ waren dabei die ersten generativen KI-Modelle, die man per Researcher Access in die Finger bekommen konnte.
Weiter ging es mit meinem Einstieg bei festiware.eu, wo eben solche Modelle und die ersten Workflows und Agents zeigten, wie KI schon früh beim Sales- oder Kundensupport helfen kann – allerdings mit Technik, die noch nicht reif war. Monate meiner Entwicklungsarbeit flossen in komplexe Systeme, die mangels der richtigen Frameworks und Modelle zwar Ergebnisse lieferten, aber nicht in dem Umfang, der diesen Einsatz rechtfertigte. Ich durfte am eigenen Leib erfahren, wie schnell man sich bei den 95 % wiederfindet, deren Pilotprojekt nicht zum gewünschten ROI führt (MIT Report).
Dann kam der Wendepunkt: Modelle wie GPT-5 Codex und Claude 4.5 wurden dank Einbindung von standardisierten Frameworks endlich robust genug, um echte Zusammenarbeit zu stützen und meine Experimente zu echten Erfolgen zu führen. Das Model Context Protocol (MCP) war dabei ein Gamechanger. Plötzlich konnten wir Tools standardisiert verbinden, statt sie nur nebeneinander zu benutzen oder jede Schnittstelle in mühseliger Handarbeit zu erzeugen. Plötzlich war da eine klare Vision für einen AI-first-Ansatz der Kollaboration zwischen Users und Agents bzw. Agents und Agents.
Mit dem Team wachsen die Missverständnisse
Bevor wir über den Lösungsansatz sprechen, mit dem wir bei T-0 unsere Kommunikation in komplexen Projekten organisieren, zuerst eine Beschreibung des Problems, das jede Organisation zu lösen hat.
Wer Teams führt, kennt die Dynamik: Kommunikation skaliert nicht gut. Mit jedem neuen Mitglied steigt die Komplexität. Es entstehen Reibungsverluste, doppelte Arbeit und verpasste Signale. Mein psychologischer Hintergrund und die Einbettung in vielfältige Arbeitsumgebungen als Berater bestätigt das immer wieder.
Man stelle sich ein einfaches Netzwerk vor, in dem jeder Punkt eine Person und jede Verbindung zwischen Punkten ein Kommunikationsweg ist. Die Zahl der Kommunikationswege nimmt mit jeder weiteren Person rasant zu. Es gilt:
n(n–1)/2
Bedeutet: 2 Personen = 1 Weg, 3 Personen = 3 Wege, 5 Personen = 10 Wege … jede*r kennt das Problem. Und Teams aller Größen bekommen es schmerzhaft zu spüren. Was mich immer wieder fast zum lachen und weinen bringt sind die willkürlichen Schuldzuschiebungen und Ausreden, wenn Kommunikation in großen Teams scheitert.
KI bzw. Agents sind hier keine magische Lösung. Aber sie können helfen. Wer asynchron an einem Projekt oder Wissenskorpus arbeitet, ist ständig angehalten, sein Denken zu strukturieren, es festzuhalten und Erkenntnisse explizit zu machen. Nur wer den Inhalt seiner Überlegungen auch brauchbar zur Verfügung stellt, dabei ist egal, ob in Reports, Memos, Meetings oder an der Kaffeebar, leistet einen Beitrag zum Fortkommen seines Teams. Geniale Ideen sind wertlos ohne diesen Prozess. Und je größer das Team, desto herausfordernder die Aufgabe.
Nun, seien wir ehrlich: Wir alle nutzen KI längst individuell bei diesen Prozessen. Soziale Konvention gebietet aber nach wie vor, dass wir die Ergebnisse unserer KI-gestützten Arbeit als genuines Ergebnis unserer eigenen Arbeit ohne jede Unterstützung präsentieren. Das gilt für die Form wie auch den Inhalt. Manche Unternehmen lassen diese Konvention langsam hinter sich, wie man an Bühnenauftritten von CEOs sieht, die stolz erzählen, wie sie die Inhalte ihres Vortrags mit einem Chatbot diskutiert haben. Aber diese Offenheit hat auch etwas Performatives. Und ich muss zugeben, dass ich selbst oft noch die Nase rümpfe, während ich es selbst nicht anders mache.
Von Tools zu Teammitgliedern: Agenten als Kommunikations-Knotenpunkt
Wir testen ein einfaches Bild: Jede Person hat eine KI als mitdenkende Partnerin. Diese Agenten lesen (was sie dürfen) mit, protokollieren, dokumentieren und verbinden die Gedankengänge aller Beteiligten. So entsteht ein gemeinsamer Wissensraum, der nicht mehr an einzelne Köpfe gebunden ist.
Das funktioniert nur, wenn wir Agenten nicht als isolierte Werkzeuge oder sogar Verdränger der eigenen Fähigkeiten sehen, sondern als Teil des Teams – mit Aufgaben, Kontext und Verantwortlichkeiten. Die Stärken der KI liegen hier vor allem darin, über Versionierung von Dateien und die Fähigkeit, unstrukturierte Information in Sekunden zu verdichten und daraus genau die gewünschten Teile zu extrahieren.
Bei T-0 nutzen wir so ein Prinzip unter Extrembedingungen. Wir planen an den ganz großen Fragen. Strategische Projektionen und grundlegende Entscheidungen zur Zukunft des Unternehmens werden in einem Modus dokumentiert und diskutiert, bei dem uns allen derselbe Agent zur Verfügung steht, der Informationen zur Verfügung stellt, überarbeitet und schreibt. Die dazu nötigen Systeme mussten wir selbst zusammenfügen.
Die Bausteine eines KI-gestützten Kommunikationssystems
Damit so ein System funktioniert, braucht es vier Komponenten:
- Deep Research & Kontextverständnis – Tools, wie Perplexity bauen einen vernetzten Informationsraum. Features, wie die sogenannten „Räume“ in Perplexity, haben hier jüngst begonnen, echte Kollaboration an Rechercheergebnissen zu ermöglichen. Wir haben so etwas für uns Intern entwickelt, auch öffentlich zugänglichen Services und Plattformen werden aber jeden Tag besser.
- Dokumentenzugriff & Versionierung – Onedrive, Gdrive, Googles NotebookLM, Copilot oder Claude Agents in einem Git-Repo halten Wissen stabil und auffindbar. Am einfachsten geht das durch Nutzung der LLMs in einer integrierten Entwicklungsumgebung, wo Dateien mit einer Git-History versehen werden. Diese Versionierung ist in der Softwareentwicklung üblich, eignet sich aber perfekt für jede Art strukturierter, kollaborativer Bearbeitung. Das Gleiche funktioniert aber inzwischen auch in üblichen Datenräumen wie bspw. Dropbox oder Microsofts Onedrive, oder einem Exchange Server.
- Kommunikationsschnittstellen – Chat (ein gängiges Web-Interface-LLM wie GPT-5) mit Sprachsteuerung, Whisper Typing (KI-basiertes Speech-to-Text für alle Applikationen) oder auch mobile Nutzung von Agents in the Cloud sind möglich. Zunehmend bieten Team Chats, wie Slack und MS-Teams auch Optionen, sich Agents direkt in den gemeinsamen Chat zu holen. Wir sind aktuell aber noch oft gezwungen, solch einen Service selbst zu bauen, um ihnen die nötigen Fähigkeiten zum Austausch von Informationen, sowie passende Werkzeuge zu geben.
- Technische Schnittstellen – ChatGPT/MCP-Konnektoren mit Authentifizierung, MCP Gateways fürs Tool- und Servicemanagement. Hier wird eine maßgeschneiderte Lösung aktuell schnell komplex, denn eine KI mit der Erlaubnis, in den Dateiablagen eines Teams mehr oder weniger zu tun, was sie möchte, birgt Risiken. Nur mit einer antifragilen Scope- vs. Track-Record-Architektur kommt so ein mächtiger KI-Agent für Unternehmen überhaupt in Frage.
Zusammen entsteht ein System, das Kommunikation nicht nur archiviert, sondern aktiv begleitet.
Viel Handarbeit, die sich sehen lassen kann
Noch müssen wir die Brücken selbst bauen. Chat-Nachrichten werden automatisch zu Aufgaben, Diskussionsnotizen wandern in strukturierte Beiträge, und unsere eigener ChatGPT-Konnektor bzw. unser genereller MCP Konnektor erlaubt asynchrones Weiterdenken an komplexen Fragestellungen über verscheidene Benutzeroberflächen mit gemeinsamem Kontext. Der geschlossene Loop aus Agents, Team und Dokumentation ist für uns heute schon Realität. Er braucht weiterhin Fachwissen und Geduld, zahlt sich aber nachhaltig aus. Das wollen wir in kommender Zeit auch auf diesem Blog demonstrieren.
Auch ohne Entwicklerteam noch heute starten
Teams müssen nicht warten, bis ein integriertes System wie unseres fertig ist. Schon einzelne Bausteine haben unserer Erfahrung nach beachtliche Auswirkungen und können Vorbehalte gegenüber einer ehrlichen gemeinsamen Arbeit mit agentischer Unterstützung abbauen. Hier ein paar Beispiele für den schnellen Einstieg in die Kollaboration für Teams mit KI:
- Perplexity Rooms für gemeinsame Recherche (idealerweise im Comet Browser mit Pro-Abo) und Ableitung von Reports. Bei Enterprise auch mit MCP-Konnektoren.
- NotebookLM als Wissensspeicher für interne Dokumente. Ein extrem unterschätztes Tool. In jedem Google-Workspace-Abo enthalten und damit günstiger als ChatGPT Pro. Bei smarter Nutzung kann es teure RAG-Systeme für manche Anwendungen komplett obsolet machen. Aber Vorsicht: Endnutzer-Oberflächen wie Googles AI-Studio sind noch unvollständig angebunden.
- ChatGPT + Notion-Connector für Projektdokumentation und Aufgaben. Die neu eingeführten Konnektoren bei ChatGPT ermöglichen den Abruf von Informationen aus teilstrukturierten Daten. Die Qualität der Ergebnisse ist bei den angebotenen Lösungen noch durchwachsen, aber bei korrekter Einrichtung können sie bereits wertvolle Zeit sparen. Leider ist es derzeit nicht möglich, der KI auch das Anlegen neuer Dokumente zu erlauben – dafür sind aktuell Individuallösungen nötig.
- Whisper Typing (PC/Linux) oder Superwhisper (Mac) für Spracheingabe auf Systemebene. Viele Anwendungen haben bereits die Option, zu sprechen statt zu tippen. Die Qualität der Spracherkennung ist durch generative KI auf ein völlig neues Niveau gekommen. Wer unabhängig von einzelnen Anwendungen einfach in jedem Textfeld drauflosreden möchte, kann sich für Mac und PC kostenlose kleine Tools installieren, die auf Knopfdruck aufnehmen, transkribieren und einfügen. Besonders praktisch für unterwegs. Zusätzlich kommen zahlreiche Tools für Meeting Transkriptionen in Frage. Diese gibt es inzwischen auch von Microsoft für Office Workspaces und von Google für deren Workspaces.
Die richtige Zielsetzung für einen Testlauf
Zwei bis vier Monate mit klarer Zielsetzung reichen, um echte Veränderungen zu spüren. Statt gleich das komplette Unternehmen umzukrempeln, reicht auch ein Projektteam – am besten natürlich mit professioneller Begleitung – zum Beispiel durch uns. Auf diese Art können mit überschaubaren Kosten in kurzer Abfolge verschiedene Tools getestet werden, um festzustellen, welche Stärken von agentischen Systemen überhaupt messbar zur Entlastung bei bestehenden und absehbaren Herausforderungen beitragen.
Wir planen, Unternehmer:innen, Solopreneure und Teams deshalb in einer kleinen Kohorte zusammenzubringen, die wir durch so einen Testlauf begleiten. Mehr dazu in unserem Newsletter, sobald der Rahmen sich verfestigt.
Das Denken vernetzen
KI ersetzt kein Denken. Sie hilft uns, Gedanken zu teilen, besser zu strukturieren und schneller wiederzufinden. Wer wartet, bis alles perfekt ist, verliert Anschluss. Wer heute testet was möglich ist, baut die Grundlage für vernetzte, schnelle und menschliche Zusammenarbeit. In der Infrastruktur und in den Köpfen. Genau darum geht es bei T-0.
Neugierig geworden? Ideen für ein Pilotprojekt?
Weiterführend:
Unternehmer:innen-Stammtisch im Leipziger Westen
Am 20. Oktober 2025 spreche ich beim 79. U-Stammtisch in der Leipziger Klinge22 über genau diese Fragen – gemeinsam mit der Freien Wirtschaftsförderung und Partner:innen aus der Region. Der Abend liefert Impulse zu KI-Strategie, operativer Zusammenarbeit und schnellen Projekterfolgen.
Wann? Montag, 20. 10. 2025 · 18:30 – 21:30 Uhr
Wo? Klinge22 Coworking & Studio, Klingenstraße 22 / E17, 04229 Leipzig
Tickets: Leider ausgebucht.